Die Ausgangslage: Das Netz als Überwachungsraum
Stell dir das frühe Internet vor: ein neuer Raum, voller Möglichkeiten – aber rechtlich noch Wildwest. Regierungen dachten: Perfekt. Endlich ein Kommunikationsraum, in dem wir alles mitlesen können.
Starke Verschlüsselung war damals kein normales Werkzeug, sondern offiziell eine Kriegswaffe. In den USA fiel Krypto-Software in die gleiche Kategorie wie Waffenexporte. Wer starke Kryptographie ins Ausland „exportierte“, konnte Ärger bekommen.
Wer waren die Cypherpunks?
Die Cypherpunks waren keine Partei, keine Firma, keine NGO. Es waren: Nerds – Kryptographen – Anarchistische Denker – Libertäre, Hacker, Freaks
Sie organisierten sich über eine Mailingliste und hatten eine einfache, radikale Idee: Privatsphäre ist kein Luxus, sondern eine Voraussetzung für Freiheit. Und im digitalen Zeitalter gibt es Privatsphäre nur mit starker Verschlüsselung.
Kryptographie als Kriegswaffe – die „Crypto Wars“
In den 1990ern behandelte die US-Regierung starke Kryptographie wie Munition. Konsequenzen: Export von Krypto-Software war streng reguliert, Browser durften ins Ausland oft nur mit schwacher Verschlüsselung ausgeliefert werden.
Der Clipper-Chip
Der Clipper-Chip sollte in Telefonen und Geräten eingebaut werden. Er versprach „Sicherheit“ – aber mit einem Haken: Verschlüsselung ja, aber die Schlüssel sollten bei Staat/Behörden hinterlegt sein (Key Escrow).
PGP und Phil Zimmermann
1991 veröffentlichte Phil Zimmermann PGP (Pretty Good Privacy). Zum ersten Mal konnten normale Menschen E-Mails mit starker Kryptographie verschlüsseln, Dateien signieren und sich gegen Massenüberwachung wehren – kostenlos.
Weil sich PGP schnell weltweit verbreitete, geriet Zimmermann ins Visier der US-Behörden. Sie ermittelten gegen ihn, als hätte er eine Waffe exportiert – nur, dass seine „Munition“ aus Mathematik und Quellcode bestand.
Als Antwort druckten Unterstützer den PGP-Quellcode als Buch und exportierten es ganz legal über Landesgrenzen. Bücher fallen unter Meinungs- und Pressefreiheit. Jeder, der den Code wieder eintippte, hatte erneut ein funktionierendes Verschlüsselungsprogramm. Genau dieser kreative Ungehorsam machte sichtbar, wie absurd es ist, Wissen und Mathematik wie Waffen zu behandeln.
Kreativer Ungehorsam
Die Cypherpunks kämpften nicht nur in Gerichten, sondern im Alltag. RSA auf dem T-Shirt: Ein paar Zeilen Kryptocode wurden auf Shirts gedruckt. Wer es trug, „exportierte“ theoretisch Kryptographie.
Dazu kamen Bücher, Manifeste und technische Texte, die Kryptographie Schritt für Schritt erklärten und weltweit verbreiteten. Statt geheimes Expertenwissen in Unis und Militärs zu verstecken, machten die Cypherpunks Krypto zum Werkzeug für normale Menschen.
Die Botschaft dahinter: Verschlüsselung gehört nicht exklusiv Regierungen und Konzernen. Sie ist ein Werkzeug für jeden, der seine Freiheit und Privatsphäre verteidigen will.